Regelmäßig berichte ich über meine Arbeit als Vertreter des Landtags Brandenburg im Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats – eine Aufgabe, die ich gerne übernommen habe und die meinen Horizont in den vergangenen zwei Jahren definitiv geweitet hat.
Doch was hat eigentlich das Land Brandenburg davon, einen Vertreter in dieser zwischenstaatlichen Organisation zu haben? „Laberrunden, die nichts bringen und nur Geld kosten“, lautete unlängst ein Kommentar auf einem meiner Social-Media-Kanäle zu meiner Arbeit im Kongress. Ist das so?
Heute hat der Landtag Brandenburg beschlossen, die lokale Demokratie zu stärken. Ganz konkret geht es darum, allen Menschen das Recht auf Mitsprache bei den Angelegenheiten der lokalen Verwaltung zu gewährleisten: mit Beteiligungsprozessen, Referenden und Petitionen, über den Zugang zu amtlichen Dokumenten, mit Maßnahmen zur Unterstützung benachteiligter Bevölkerungsgruppen, mit der Möglichkeit, Beschwerden ebenso wie Vorschläge einzureichen. Dafür sollen kommunale Verwaltungen auch moderne Informationstechnologien nutzen.
So ist es im Zusatzprotokoll der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, das im Jahr 2012 in Kraft getreten ist, festgehalten – und es klingt nach einer Selbstverständlichkeit! Aber: Deutschland hat bis heute dieses Zusatzprotokoll nicht ratifiziert.
Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung samt Zusatzprotokoll
Nun, zehn Jahre später, gibt es, ausgehend vom Kongress, einen neuen Anlauf für diese Ratifizierung – und wir in Brandenburg sind dabei Vorreiter. Als erster Landtag in Deutschland haben wir heute einen entsprechenden Antrag beschlossen. Zurück geht dieser wiederum auf den im März im Kongress vorgestellten und verabschiedeten Monitoring-Bericht über die Einhaltung der Charta der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland. Neben viel Lob für unsere lokale Demokratie gab es darin eben auch die Kritik, dass Deutschland das Zusatzprotokoll bislang nicht unterzeichnet und ratifiziert hat – verbunden mit der Aufforderung, dies nachzuholen. Dass Bürger*innen vor Ort an Entscheidungen beteiligt werden, würde damit völkerrechtlich verbindlich festgeschrieben.
Monitoring-Bericht zur Anwendung der Charta in Deutschland
Unsere deutsche Delegation im Kongress hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Ratifikationsverfahren neu anzustoßen. Dafür hat die Brandenburger Landesregierung mit dem von mir ausgearbeiteten und heute beschlossenen Antrag eine solide Argumentationsgrundlage. Andere Bundesländer schauen heute auf uns – und werden uns folgen. Ich bin optimistisch, dass es uns so gelingen wird, den Ratifizierungsprozess für das Zusatzprotokoll in Deutschland endlich zum Erfolg zu führen.
Ja, auf dem Weg dahin wird in unterschiedlichsten Runden jede Menge „gelabert“. Aber am Ende steht ein konkretes Ergebnis: Mehr Mitspracherechte für alle vor Ort und damit eine nachhaltige Stärkung nicht nur der lokalen Demokratie!
Dazu gehört übrigens auch, dass kommunale Spitzenverbände wie etwa der Städte- und Gemeindebund formale Anhörungsrechte bekommen – ein weiterer Punkt, den der Monitoring-Bericht meiner Kongress-Kollegen Jani Kokko aus Finnland und Konstantinos Koukas aus Griechenland anmahnt. Auf Landesebene gibt es diese Rechte in Brandenburg bereits, nun fordern wir den Bund auf, dies ebenfalls umzusetzen. Und auch die im Bericht teilweise als nicht bedarfsgerecht kritisierte Finanzausstattung der Städte, Gemeinden und Landkreise werden wir genau unter die Lupe nehmen.
Es ist also gelungen, von der europäischen Ebene, aus dem Kongress der Gemeinden und Regionen, ein Thema in den Landtag zu tragen und daraus ganz konkrete Politik auf Landesebene zu machen, die sich vor allem vor Ort in den Kommunen positiv auswirken wird.
Der Generalsekretär des Kongresses Andreas Kiefer hat uns in der vergangenen Woche im Ausschuss für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik in Potsdam besucht, wo wir ihn unter anderem über diese Initiativen und den nunmehr beschlossenen Antrag informiert haben. Dass Herr Kiefer dieses Engagement Brandenburgs im Anschluss als beispielgebend für andere Kongress-Mitglieder gelobt hat, erfüllt mich mit Freude und Stolz.
„Brandenburg example should be followed“: Bilanz von Andreas Kiefer nach dessen Besuch in Potsdam