Geld ist nicht alles – Auf „Zukunftstour“ beim innovativen Spielgerätehersteller Spiel-Bau in Brandenburg an der Havel

Der berühmte Obstkorb, den es in jeder Abteilung bei Spiel-Bau gibt

Eine Schaukel steht neben einer bunten Wippe. Ein verwinkeltes Holzhaus lädt zum Klettern ein. Und am Rande des Geländes ein Teich, über den sich hölzerne Brücken ziehen, unter denen Enten dösen. Was fehlt in diesem Spieleparadies sind: Kinder. Stattdessen nutzen die Mitarbeiter*innen von Spiel-Bau den schattigen Pavillon mit seinem begrünten Dach neben der Schaukel für ihre Mittagspause.

Wer bei Spiel-Bau angestellt ist, arbeitet nicht nur auf einem Kinderspielplatz, sondern vor allem für Kinder. Die in Brandenburg an der Havel ansässige Firma entwirft und produziert Geräte für Spielplätze – und gehört zu den Marktführern in ihrer Branche. Doch das ist nicht der alleinige Grund, dass ich das Unternehmen im Rahmen meiner „2024 Zukunftstour Brandenburg: Auf dem Weg zu innovativen Unternehmen und Projekten“ unbedingt besuchen wollte. Ein anderer: Die Spiel-Bau-Geräte sind so kreativ wie die Arbeitsbedingungen innovativ. Und ich glaube: Das eine bedingt das andere.

Bereit zum Klettern (v.l.n.r.): Spiel-Bau-Geschäftsführer Fabian Lorenz, Heiner Klemp, Christian Wessel

Beim Rundgang über das Gelände war auch Christian Wessel dabei, der bündnisgrüne Landtagskandidat für Potsdam-Mittelmark. Geschäftsführer Fabian Lorenz zeigte uns beiden die verschiedenen Produktionshallen, in denen die Spielgeräte hergestellt werden. Die Produktbreite reicht dabei von kleinen Wippen für ein einzelnes Kind bis zu mehrgeschossigen Kletterlandschaften, die zu groß für die Werkhallen sind und deshalb erst einmal im Freien probemontiert werden müssen. Das bislang größte Projekt der Firma war bislang ein 50 Meter langer und sieben Meter hoher Dinosaurier für den Stuttgarter Rosensteinpark, auf dem bis zu 200 Kinder herumtoben können.

Großen Wert legt die Firma, die ihre Aufträge vor allem von Städten und Kommunen, aber auch Einkaufszentren oder Flughäfen bekommt, auf Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und Sicherheit. Dass sich spielende Kinder nicht an scharfkantigen Bauteilen verletzten können, ist Grundvoraussetzung für öffentliche Spielplätze. Spiel-Bau-Geräte sind zu einhundert Prozent recycelbar, Kunststoffe werden nach Möglichkeit gar nicht verbaut. Und im Gegensatz zu einer Schaukel für den privaten Gebrauch sollen die Spiel-Bau-Geräte viele Jahrzehnte halten und werden deshalb aus langlebiger Robinie aus nachhaltiger Forstwirtschaft und Edelstahl gefertigt. Holzteile können auch noch nach Jahrzehnten ersetzt werden, Spiel-Bau bietet eine lebenslange Garantie auf die Geräte.

So hochwertig sind die Produkte, dass Spiel-Bau bis nach Australien liefert. Die Firma ist erfolgreich und würde gern expandieren, aber dem stehen zwei Probleme entgegen, erklärte mir Geschäftsführer Lorenz. Zum einen stößt das Betriebsgelände im Brandenburger Stadtteil Klein Kreutz an seine Grenzen. Zum anderen beklagt die Firma – wie viele andere – den Fachkräftemangel.

Geschäftsführer Lorenz erklärt uns die Konstruktion eines Klettergerüsts

Denn der Spielgerätebau, wie ihn Spiel-Bau betreibt, benötigt gut ausgebildete Kräfte. Schließlich werden in Klein Kreutz nicht nur Holz und Stahl zusammengeschraubt, sondern fast jedes Gerät ist ein Unikat. Für die Herstellung braucht es nicht nur Schreinerei, Schlosserei, Seilerei und Maler*innen, sondern auch Designer*innen, die individuelle Kundenwünsche umsetzen, und Statiker*innen, die die Entwürfe prüfen. In den Spiel-Bau-Geräten steckt so Handwerks- wie Ingenieurskunst.

Es ist nicht ganz einfach, für diese anspruchsvollen Arbeiten qualifizierte Mitarbeitende zu finden, sagt Lorenz. Deshalb setzt das Unternehmen einerseits auf die Ausbildung: Von den aktuell 115 Angestellten sind 15 Azubis. Andererseits versucht Lorenz, den von ihm geführten Betrieb möglichst attraktiv für Beschäftigte zu machen. Denn, das hat der Geschäftsführer festgestellt, vor allem bei jüngeren Arbeitnehmenden liegt der Fokus nicht mehr nur auf Karriere und Bezahlung, stattdessen werden Flexibilität und die berühmte Work-Life-Balance immer wichtiger. Die Firma hat den großen Vorteil, dass ein Produkt, das Kinder glücklich macht, auch den Arbeitsplatz attraktiv macht. Aber das allein reicht nicht aus, um neue Mitarbeitende zu gewinnen und alte zu halten. Deshalb hat die Firma, so formuliert es Lorenz, „einen bunten Strauß an Maßnahmen“ eingeführt.

Das beginnt mit Obstkörben in jeder Abteilung, in denen sich die Mitarbeitenden kostenfrei bedienen können, geht über E-Lastenräder, die die Firma zur Verfügung stellt, und endet noch nicht mit der 4-Tage-Woche, die Spiel-Bau 2021 eingeführt hat. Das Besondere: Die Regelung funktioniert auch mit vollem Lohnausgleich. Die Wochenarbeitszeit wurde von 40 auf 38 Stunden gesenkt, aber so organisiert, dass von Montag bis Donnerstag gearbeitet wird und der Freitag arbeitsfrei bleibt. Die Regelung ist aber auch so flexibel, dass in den Büro-Bereichen bei Bedarf auch weiterhin an fünf Tagen gearbeitet werden kann.

Auf der Schaukel: ein aktueller und (hoffentlich) zukünftiger Landtagsabgeordneter

Nachdem eine Mehrheit der Mitarbeitenden die Neuregelung zuerst abgelehnt hatte, wurde sie testweise in einer einzelnen Abteilung eingeführt. Sukzessive zogen andere Bereiche nach, und mittlerweile steht die Belegschaft hinter der 4-Tage-Woche. Auch die Geschäftsleitung des Mittelständlers ist zufrieden, denn die Produktivität ist gestiegen. In der kürzeren Arbeitszeit werden genauso viele Spielgeräte hergestellt wie zuvor in der 40-Stunden-Woche, und das ohne dass der subjektiv empfundene Arbeitsdruck gestiegen wäre. Die innovativen Arbeitsbedingungen erfüllen ihren Zweck: Allein im vergangenen Jahr, erzählt Geschäftsführer Fabian Lorenz, wären sechs Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen hatten, um anderswo ihr Glück zu suchen, wieder zurückgekehrt. So gut läuft die 4-Tage-Woche, dass sich Spiel-Bau damit offensiv um neue Arbeitskräfte bemüht. Am Bahnhof von Brandenburg an der Havel warb die Firma eine Zeit lang mit einem Banner: „4 Tage Spiel-Bau statt 5 Tage pendeln.“

Ich nehme von meinem Besuch bei Spiel-Bau also mit, was mir in den vergangenen Jahren als wirtschaftspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen immer wieder aufgefallen ist: Geld ist nicht alles – und das gilt auch für die Wirtschaft. Die Zeiten haben sich geändert, das sogenannte Humankapital ist entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens. Um attraktiv für Fachkräfte zu sein, müssen Unternehmen nicht nur gut bezahlen, sondern auch einen Mehrwert bieten: Identifikation mit einer sinnstiftenden Arbeit zum Beispiel, gute Arbeitsbedingungen, flexible Arbeitszeiten, ein kollegiales Betriebsklima. Unternehmen, die das erkannt haben, sind auch erfolgreich. Eine Win-win-Situation für alle, Arbeitgeber*innen wie Arbeitnehmer*innen. Spiel-bau ist dafür das beste Beispiel.