Ein Nachhaltigkeitsziel kommt selten allein: Zu Besuch in der Global Nachhaltigen Kommune Baruth

Am alten Schloss: Baruths Koordinator für kommunale Enwicklungspolitik, Karsten Wittke, Heiner Klemp und Bürgermeister Peter Ilk (von links).
Am alten Schloss: Baruths Koordinator für kommunale Enwicklungspolitik, Karsten Wittke, Heiner Klemp und Bürgermeister Peter Ilk (von links).

Was sich schon in Greifswald zeigte, hat mein heutiger Besuch in Baruth bestätigt: Auch wenn es in der kleinen Stadt in Teltow-Fläming heute um SDG 11 – Nachhaltige Städte und Gemeinden – ging, wird eine Begrenzung auf dieses eine Nachhaltigkeitsziel dem Engagement der Baruther kaum gerecht. Schließlich verpflichten sich die Zeichnungskommunen der Agenda 2030 freiwillig, ihr Handeln an allen 17 Nachhaltigkeitszielen auszurichten. Baruth gehört zu den bisher drei Städten und Gemeinden Brandenburgs, für die das gilt.

Die Entwicklung dahin ist gewissermaßen natürlich gewachsen – oder, wie Bürgermeister Peter Ilk es im Gespräch salopp formuliert: „Wir sind schon lange auf dem Nachhaltigkeitstrip.“ Das begann schon Mitte der 1990er-Jahre mit dem großen Industriegebiet am Stadtrand, das die Kommune von Anfang an gezielt entwickelt und die Grundstücke erschlossen verkauft hat. Heute finden sich dort diverse Holzproduzenten, deren Produktionsketten miteinander verknüpft sind: Des einen Abfall ist dabei des anderen Rohstoff; Sägespäne werden zu Faserplatten, Müll und lange Transportwege vermieden.

Das heute prosperierende Industriegebiet wiederum trägt durchaus dazu bei, dass Baruth als vergleichsweise finanzstarke Stadt seit knapp zehn Jahren (und damit lange vor Unterzeichnung der Resolution zur Agenda 2030 durch die SVV im Jahr 2019) Entwicklungshilfe auf kommunaler Ebene leistet: Eher zufällig stellte ein Archäologe, der im Alten Schloss tätig war, 2011 den Kontakt in die mongolische Stadt Murun her, mit 45.000 Einwohnern etwa zehn Mal so groß wie Baruth.

Bürgermeister Peter Ilk berichtet vom Engagement für das Projekt „Unser Wasser“ in Murun.

„Beim ersten Besuch dort hatten wir ein Schlüsselerlebnis: Nach einer schweißtreibenden Anreise durch die Steppe kamen wir ins Hotel und wollten duschen, aber im dritten Stock gab es kein fließendes Wasser.“ Daraus erwuchs das Projekt „Unser Wasser“: Mit Hilfe des Baruther Eigenbetriebs, von Sponsoren und Fördermitteln konnten bislang unter anderem Trinkwasserfilter in den Muruner Kindergärten und Schulen installiert, die örtlichen Wasserbetriebe gezielt bei Wasser- und Abwasserreinigung unterstützt und Schulungen sowie mehrere Wasserkonferenzen vor Ort organisiert werden. 

Damit nicht genug, haben die Baruther mittlerweile ein Feuerwehrauto und drei Rettungswagen nach Murun gebracht – und den Bau eines kommunalen Weiterbildungszentrums dort initiiert und begleitet: Unterstützt von deutschen Fachleuten und –firmen, haben ausschließlich mongolische Bauleute das Haus in nachhaltiger und niedrigenergieeffizienter Bauweise errichtet – samt Mikrokläranlage und eigenem Brunnen.

Das nächste große Projekt für Murun, das Karsten Wittke, Baruther Koordinator für kommunale Entwicklungspolitik, auf dem Zettel hat, wird sich dem Abfallmanagement widmen – und damit verbunden der Wertstofftrennung, gekoppelt wiederum an berufliche Weiterbildung der Menschen vor Ort.

Auf die etwas überspitzte Frage, was die Stadt Baruth eigentlich von ihrem Engagement in der Mongolei hat, antwortet Wittke: „Ich sehe das als eine Art Spiegel, eine Reflexion auf unseren konsumverschwenderischen Lebensstil, der sich natürlich global auswirkt.“ Und Bürgermeister Ilk stellt klar: „Als reiche Industrienation haben wir die Verpflichtung, denen zu helfen, denen es nicht so gut geht wie uns.“

Allein über die Partnerschaft mit Murun ließen sich Seiten füllen, die mindestens die SDGs 4, 6 und 17 zum Inhalt hätten. Aber was passiert eigentlich vor Ort in der Global nachhaltigen Kommune Baruth? Kurz gesagt: das, was die Bürger*innen auf die Agenda setzen. Karsten Wittke setzt auf Partizipation. „Das ist mühselig, aber nur so schaffen wir Akzeptanz und Stabilität.“ Deshalb gibt es seit 2019 die Baruther Bürger*innendialoge. Ob es um das Vermeiden von Müll, städtische Grünflächen, ÖPNV oder Digitalisierung geht: Die Menschen, die in Baruth leben, definieren so die Schwerpunkte der nachhaltigen Entwicklung vor Ort.

Im Gespräch mit Karsten Wittke auf dem Bauther Weinberg. Der Weinanbau in der Stadt geht auf der private Engagement Wittkes und einiger Mitstreiter*innen zurück.

Ein sehr konkretes Beispiel etwa für die Müllvermeidung sind die 2019 angeschafften Baruther Mehrwegbecher, die Vereine, Bildungseinrichtungen und Kitas kostenlos bei der Stadt ausleihen können, den aber auch Caterer bei städtischen Veranstaltungen nutzen. Im großen Stil war dies wegen der Corona-Pandemie bislang nur einmal der Fall – beim Kreiserntefest 2019. Die Zahlen sprechen aber eine deutliche Sprache: 60 Prozent weniger Müll als beim Kreiserntefest 2018 fielen in Baruth an.

Einen Teil der Becher schmücken übrigens die 17 Nachhaltigkeitsziele: „So kommen wir auch beim Feuerwehrfest auf das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen“, erklärt Wittke.

Dennoch wünscht er sich – ebenso wie der Bürgermeister – dass dieses Thema, „seiner Ernsthaftigkeit angemessen“ deutlich breiter diskutiert, wahrgenommen und bearbeitet wird. „Nachhaltigkeit muss zur kommunalen Pflichtaufgabe werden“, appellieren Ilk und Wittke – auf dass die SDGs und ihre Relevanz in allen Verwaltungsköpfen ankommen. Diesen Appell nehme ich mit und werde ihn in den Landtag tragen!

Nachhaltigkeit auf der Website der Stadt Baruth/Mark

Projektwebsite „Global nachhaltige Kommune Brandenburg“