Kampf gegen Korruption stärkt Demokratie

Heiner Klemp, Iris Müller-Lintzen und Frank Winter (von links) im Gespräch bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Korruption in Neuruppin.
Heiner Klemp, Iris Müller-Lintzen und Frank Winter (von links) im Gespräch bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Korruption in Neuruppin.

„Nichts ist so schädlich für die Demokratie wie Korruption“, sagt Oberstaatsanwalt Frank Winter, seit Mai 2002 Leiter der 2001 gegründeten Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Korruptionskriminalität im Land Brandenburg am Standort Neuruppin. Ihn und die Leitende Oberstaatsanwältin Iris Müller-Lintzen habe ich zum Abschluss meiner Sommertour getroffen.

„Korruption und Bestechung in allen ihren Formen erheblich reduzieren“ gehört zu den Unterzielen von SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und staatliche Institutionen. Und wer Frank Winter zuhört, hat keinen Zweifel, dass es sich bei der von ihm aufgebauten Schwerpunktabteilung um eine starke Institution handelt. Er sagt: „Eine Besonderheit der Korruptionsdelikte ist: Es handelt sich um Täter mit Macht: finanziell, wirtschaftlich, politisch. Sie fühlen sich unantastbar.“ Der Satz „Sie wissen wohl nicht, wer ich bin!“ falle bei von seiner Abteilung initiierten Durchsuchungen öfter.

Tatsächlich markiert die Gründung der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft in Brandenburg Anfang des Jahrtausends eine Art Zeitenwende: Man könnte meinen, zuvor gab es keine Korruption. „Als ich 2002 angefangen habe, Landräte anzuschreiben mit dem Anliegen, Stellen für Antikorruptionsbeauftragte zu schaffen, hat die Hälfte nicht geantwortet. Die andere Hälfte hat mich für verrückt erklärt.“ Mittlerweile gibt es diese Stellen in jedem Landkreis in Brandenburg, sagt Winter – und auch viele Städte und Gemeinden leisten sich Antikorruptionsbeauftragte. Hinzu kommt eine sehr gute Antikorruptionsrichtlinie auf Landesebene: „Damit können wir arbeiten.“

Die Einstellung hinter vielen Korruptionsdelikten: „Eine Hand wäscht die andere“ steht in großen Lettern an der Wand im Eingangsbereich der Schwerpunktstaatsanwaltschaft.

Und wie? In aller Regel beginnt es mit einem Hinweis von außen. Der ist übrigens auch anonym über die Website der Brandenburger Polizei möglich. Führen Vorermittlungen zu einem Anfangsverdacht, starten die „richtigen“ Ermittlungen gemeinsam mit dem Landeskriminalamt: 13 Kräfte dort arbeiten ausschließlich für die Schwerpunktabteilung.

Als Beispiel dafür, dass auch anonyme Hinweise am Ende zur einer Verurteilung führen können, berichtet Frank Winter von einem Fall aus dem Umfeld des Flughafens BER, der mit einem Hinweis von Unbekannt startete: 2015 erging das Urteil einer mehrjährigen Haftstrafe gegen den ehemaligen Chef eines Trink- und Abwasserzweckverbands. Die Auftragsvergabe für Leitungen rund um den BER hatte dieser sich entlohnen lassen – mit „Arbeits- und Materialleistungen“ für seinen privaten Hausbau. Dazu gehörte ein luxuriöses Badezimmer, das die ausführende Firma als Musterbad auf ihrer Website postete: gewissermaßen ein für alle Welt sichtbares Beweisstück, auch wenn es natürlich Aufgabe der Ermittelnden war, nachzuweisen, dass der Bau des Badezimmers auf unlautere Geschäftspraktiken zurückzuführen war.

Mit etwa 80 Prozent der durchnittlich 230 Verfahren pro Jahr macht die so genannte Verwaltungskorruption übrigens den Großteil der Arbeit der Schwerpunktabteilung aus. Der Umkehrschluss laute allerdings nicht, dass die Wirtschaftskorruption in Brandenburg keine Rolle spielt. „Das Dunkelfeld ist in diesem Bereich viel größer, nur ein Bruchteil der Fälle in der Wirtschaft wird angezeigt“, sagen Müller-Lintzen und Winter.

Der bündnisgrüne Neuruppiner und Kreistagsabgeordnete Wolfgang Freese (links) begleitete Heiner Klemp beim Besuch in der Staatsanwaltschaft.
Der bündnisgrüne Neuruppiner und Kreistagsabgeordnete Wolfgang Freese (links) begleitete Heiner Klemp beim Besuch in der Staatsanwaltschaft.

Einer der spektakulärsten Fälle der Schwerpunktabteilung Korruption und das bislang größte Verfahren gegen organisierte Kriminalität in Ostdeutschland spielte quasi vor Winters Haustür: Die XY-Bande wurde 2004 in Neuruppin ausgehoben. Bestechung, Rauschgifthandel und illegales Glücksspiel in der Fontanestadt und darüber hinaus gingen auf ihr Konto, organisiert in streng hierarchischen, mafiösen Strukturen. Einer der Haupttäter saß unter anderem für die CDU in der Stadtverordnetenversammlung, die Bande hatte unter anderem Komplizen in der Stadtverwaltung. Gegen mehr als hundert Personen liefen seinerzeit die Ermittlungen, der Prozess vor dem Landgericht Neuruppin ging über 84 Verhandlungstage, acht Bandenmitglieder verurteilte die Kammer am Ende zu fünf bis 12 Jahren Gefängnis.

Wolfgang Freese, bündnisgrüner Neuruppiner und langjähriges Mitglied des Kreistages, berichtet, dass in den Jahren vor 2004 viele in der Fontanestadt den Verdacht hegten, bei dem Kreis um einen bekannten Neuruppiner und dessen Geschäften in und mit der Stadt gehe etwas nicht mit rechten Dingen zu. „Wir konnten damals nicht fassen, dass die Geschäfte immer weiterliefen und nichts passierte.“ Frank Winter erklärt: „Wir haben lange verdeckt ermittelt.“ Bis schließlich der Paukenschlag kam: Mehr als 200 Polizisten durchsuchten mehrere Gebäude in Neuruppin, darunter das Rathaus, und nahmen etliche Verdächtige sofort fest, denen schließlich auch der Prozess gemacht wurde. Das sei heilsam gewesen, sagt Wolfgang Freese: „Der Ruf der Stadt hat gelitten, aber mein Vertrauen in unsere staatlichen Organe ist ganz klar gewachsen. Das ging vielen so.“ Und genau darum geht es schließlich beim Nachhaltigkeitsziel Nummer 16.

Korruptionsverdacht online melden auf der Website der Polizei Brandenburg