„Die Playlists von Stadt und Dorf passen noch nicht so ganz zueinander, mal sehen, ob das irgendwann noch matcht.“ Axel Watzke hat die Lacher auf seiner Seite, als er diesen Satz bei einer Führung über den Hof Prädikow ausspricht. Dabei steckt in dieser Aussage ziemlich viel drin, was die Herausforderungen angeht, Leerstand im ländlichen Raum mit neuem Leben zu füllen.
Genau darum geht es dem Netzwerk Zukunftsorte, das in der vergangenen Woche in die Prädikower Dorfscheune eingeladen hatte. Dort feierte das Netzwerk den Launch einer Internet-Plattform, die Anleitung gibt für den Aufbau starker Orte für Leben und Arbeiten auf dem Land: Zukunftsorte, wie der Hof Prädikow einer ist.
Als ich zum ersten Mal beim Netzwerk Zukunftsorte zu Gast war, gehörte die Scheune noch zum „komplexen Leerstand im ländlichen Raum“ mit ungewisser Zukunft. Gut zwei Jahre und ungezählte Förderanträge später ist das Gebäude heute komplett saniert und bietet auf 250 Quadratmetern Raum für vielfältige Nutzungen: Coworking, Veranstaltungen, Gastronomie in der integrierten Kneipe.
Die Scheune ist nur eins von 15 Gebäuden auf dem Hof, der zu DDR-Zeiten durch die örtliche LPG genutzt wurde und 20 Jahre leer stand. Rund 70 Leute, die in einem Verein und genossenschaftlich organisiert sind, wollen künftig auf dem Hof Prädikow leben und arbeiten. „Die fertige Scheune ist dabei der Kristallisationspunkt für alle neuen Ideen“, sagt Axel Watzke vom Verein. Darüber hinaus ist die Scheune auch Treffpunkt, von Anfang an gemeinsam entwickelt mit den Bewohner*innen des Dorfes Prädikow. Denn: „Wir wollen kein urbanes Ufo sein, sondern Infrastruktur entwickeln, die wir alle brauchen und den Prädikowern bisher fehlt“, sagt Julia Paaß, bei der sowohl auf dem Hof als auch beim Netzwerk Zukunftsorte alle Fäden zusammenlaufen.
Tatsächlich ist genau das – die Stadt-Land-Integration – ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal der Zukunftsorte. Es geht eben nicht darum, dass Stadtmenschen ihren abgeschotteten Traum vom Leben auf dem Land leben. Zu den Kriterien, die das Netzwerk selbst setzt, gehört es, seinen Erstwohnsitz konsequent aufs Dorf zu verlegen und dort offene Treffpunkte und Angebote für das Umfeld zu schaffen.
In Prädikow funktioniert das bereits ganz gut: Dass die Schnittmengen beim Musikgeschmack wie eingangs erwähnt (noch) nicht so groß sind, hält Einheimische und Zugezogene nicht davon ab, seit Jahren das Dorffest gemeinsam auf dem Hof zu feiern. Hinzu kommen gemeinsame Sportkurse, Kulturveranstaltungen oder auch einfach nur lockere Treffen an der Theke der Kneipe „Schwarzer Storch“.
Wie genau sich der Weg dahin gestaltet hat, welche bürokratischen Hürden zu bewältigen waren und sein werden, wie sich Vision und Realität unterscheiden und nicht zuletzt, welche emotionalen Höhe- und Tiefpunkte die Entwicklung des Hofes mit sich bringt: Das alles findet sich in großer Tiefe und außerordentlich ansprechend aufbereitet auf der in der vergangenen Woche gestarteten Wissensplattform des Netzwerks Zukunftsorte. Dabei ist Prädikow „nur“ einer von momentan 52 dort vorgestellten Orten!
Für mich steht fest: Wer sich ernsthaft mit nachhaltigen Wegen befassen möchte, Leerstand auf dem Land zu begegnen und den gesellschaftlichen Wandel im ländlichen Raum zu gestalten, kommt am Netzwerk Zukunftsorte nicht vorbei. Dass die politischen Rahmenbedingungen diesen Formen neuen Lebens und Arbeitens auf dem Land mitunter eher Grenzen setzen statt sie zu beflügeln, verstehe ich als Arbeitsauftrag.