Wahlkreis-Radtour in Brandenburg/Havel

Die Gruppe der Teilnehmenden unserer Radtour vor der Wildblumenwiese am Paulikloster.
Die Gruppe der Teilnehmenden unserer Radtour vor der Wildblumenwiese am Paulikloster.

Am 15. September fand meine diesjährige Wahlkreisradtour in Brandenburg statt. Gemeinsam mit den Ortsgruppen von ADFC und VCD konnte ich mir auf der gut 20 Kilometer langen Route ein Bild von der Fahrradinfrastruktur in der Havelstadt machen. Fast drei Stunden lang waren wir unterwegs, haben Gefahrenstellen begutachtet, Radwege gesehen, die keine sind, und unzählige Konflikte mit anderen Verkehrsmitteln erlebt.

Am Nachmittag begann unsere Radtour vor dem Hauptbahnhof in Brandenburg an der Havel.

Mit rund 15 Teilnehmenden brachen wir am Nachmittag am Hauptbahnhof in Richtung Wilhelmsdorf auf. Hier fielen vor allem der sanierungsbedürftige Radweg an der Bundesstraße und die unzureichend ausgebauten Kreuzungsbereiche auf. Auf der Wilhelmsdorfer Straße in Richtung Westen stießen wir gleich auf die wohl kurioseste Verkehrslösung in Brandenburg an der Havel. Neben den parallel zur Straße parkenden PKW verlaufen dort in rotem und grauem Pflaster markiert ein Rad- und Gehweg. Vor der Häuserwand parken dann noch einmal Fahrzeuge quer zum Gehweg. An dieser unscheinbaren Stelle begehen fast alle Radfahrenden ohne es zu wissen eine Ordnungswidrigkeit, wie Marcel Welte vom ADFC der Gruppe erklärt. Denn der einige hundert Meter lange Abschnitt ist weder ein Radweg noch ein Fußweg, sondern eine verkehrsberuhigte Zone. Die entsprechende Ausschilderung auf dem Gehweg nimmt so gut wie niemand wahr. Hier verläuft also eine verkehrsberuhigte Straße neben der eigentlichen Straße, damit die PKW über Rad- und Gehweg zu den dahinter liegenden Parkplätzen gelangen können. Immerhin: Man kann der Verwaltung keine Phantasielosigkeit vorwerfen. Wer nun allerdings mit dem Rad die Schrittgeschwindigkeit überschreitet, ist zu schnell unterwegs. Dafür wiederum dürfte man theoretisch in beide Richtungen durch die verkehrsberuhigte Zone fahren – allerdings auch mit dem Auto. Diese Verkehrslösung ist komplett absurd und für alle Verkehrsteilnehmenden unverständlich. Dabei verlaufen hier eine wichtige Pendlerroute und der touristisch bedeutsame Havelradweg. 

So sieht Auto-zentrierte Planung aus: Dieser unscheinbare Weg ist eine „Verkehrsberuhigte Zone“.

In Richtung Wilhelmsdorf und Göttin häufen sich die Konflikte zwischen Fahrrad- und PKW-Verkehr. An manchen Stellen muss man auf der Fahrbahn einer viel befahrenen Straße fahren, wenig später müssen Radfahrende die Straßenseite wechseln. Und über viele Kilometer hinweg sind von Fußgängerinnen und Radfahrern in beide Richtungen gemeinsam genutzte Wege kaum zwei Meter breit, obwohl die Straßenverkehrsordnung längst breitere Wege vorschreibt. Auch wenn hier formal Bestandsschutz herrscht, bis die Straße erneuert wird, ist das unzumutbar und gefährlich für Radfahrenden. An zahlreichen Einmündungen kreuzt der Kraftverkehr die in beide Richtungen genutzten Radwege, wobei viele gefährliche Situationen entstehen. Ebenso wenig Platz für Radfahrerinnen und Fußgänger ist auf der Göttiner Landstraße. Stadteinwärts ist an der Kreuzung zur Wilhelmsdorfer Straße die Bushaltestelle im Weg, sodass man mit dem Fahrrad erst einige Hundert Meter weiter wieder ordnungsgemäß auf den Radweg wechseln kann.

Unsere Route führte auch an einer der zahlreichen Brandenburger Wildblumenwiesen vorbei.

Der Weg durch die Innenstadt von Brandenburg wartete unserer Gruppe mit ganz neuen Herausforderungen auf. Hier ist man auf weiten Strecken auf Pflasterstraßen unterwegs, die das Radfahrern unbequem machen und teilt sich die Straße nicht nur mit PKW, sondern auch mit der Straßenbahn. Zwischen deren Schienen muss man ständig die Spur wechseln, während das Einhalten von Sicherheitsabständen durch Autos praktisch nicht möglich ist. Auch im weiteren Verlauf der Tour mussten wir immer wieder feststellen, dass der Radverkehr vielerorts offenbar einfach nicht mit eingeplant ist. Radwege enden kurz vor Haltestellen, werden an Engstellen auf die Straße geleitet oder sind schlicht nicht ausgezeichnet oder markiert. Der traurige Höhepunkt unserer Radtour war der Besuch des Geisterfahrrads an der Kreuzung von Upstallstraße und Rathenower Landstraße. An dieser unübersichtlichen Kreuzung, an der es immer wieder zu Unfällen kommt, starb 2018 eine 10-jährige Radfahrerin bei einem Unfall mit einem abbiegenden LKW.

An der Upstallstraße steht dieses „Geisterfahrrad“ als Mahnmal für eine verunglückte Radfahrerein.

Insgesamt fühlt man sich in Brandenburg an der Havel auf dem Fahrrads vielerorts nicht sicher. Konflikte mit PKW entstehen praktisch überall. Viele Radfahrende weichen deshalb auf die Gehwege aus, wo wiederum Konflikte mit Fußgängerinnen und Fußgängern entstehen. Die Verkehrsführung ist an vielen Stellen in der Stadt geradezu abenteuerlich. Abstellmöglichkeiten für Fahrräder sucht man vor allem in der Altstadt vergeblich. Offenkundig hat die Stadt Brandenburg noch großen Nachholbedarf in Sachen Fahrradfreundlichkeit. Zu diesem Urteil kam auch kürzlich erst eine durch den ADFC durchgeführte Erhebung. In der Gruppe der Städte zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern landet die Havelstadt seit Jahren auf den hinteren Plätzen. Es wird Zeit, dass sich das ändert – und darum werde ich mich auch in Zukunft gemeinsam mit Partnern wie dem ADFC und dem VCD bemühen!

Mehr Infos zur Fahrradklima-Umfrage auf der Webseite des ADFC