Flugscham ade? – Auf „Zukunftstour 2024“ beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Die Plüsch-Cobra bewacht die Pilot-CoBra
Ich und die Zukunft des Fliegens

Das Modell war schon ziemlich beeindruckend: Mit geschätzten drei Metern Flügelspannweite nahm es fast ein Drittel des großzügigen Konferenzraums ein. Wenn sich die sechs Propeller in Gang setzten, war das zwar nicht ganz so laut wie ein echtes startendes Flugzeug, aber man konnte sich schon ganz gut vorstellen, wie die Maschine abheben würde. Das Flugzeug, das mir im Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe in Cottbus vorgeführt wurde, ist die Miniaturausgabe eines Regionalflugzeuges, das einmal mit von Wasserstoff angetriebenen Elektromotoren bis zu 80 Passagiere befördern soll – und das nachhaltig und klimaneutral.

Im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeiten Wissenschaftler*innen an tragfähigen Technologien für die Zukunft. Cottbus ist der einzige Brandenburgische von insgesamt 30 DLR-Standorten und war deshalb natürlich unverzichtbare Station meiner „2024 Zukunftstour Brandenburg: Auf dem Weg zu innovativen Unternehmen und Projekten“. Tatsächlich finden hier in Cottbus unheimlich spannende Forschungsarbeiten statt, die uns alle interessieren sollten – auf jeden Fall die, die künftig ohne schlechtes Gewissen in den Urlaub fliegen wollen.

Denn das Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe erforscht elektrische und hybrid-elektrische Flugsysteme. Wie genau der Flugantrieb der Zukunft aussehen wird, kann noch niemand sagen, erklärte Professor Lars Enghardt, der Direktor des Instituts. Vieles spricht aber dafür, dass wir einmal mit grünem Wasserstoff fliegen werden. Aber wird der Wasserstoff verbrannt wie heute das Kerosin oder wird mit ihm an Bord Strom erzeugt, der mehrere Elektro-Turbinen antreibt? Und wann wird es soweit sein?

Prof. Enghardt erläutert das Modell eines Elektro-Flugzeugs

Das Ende der Flugscham, versicherte mir Professor Enghardt, wird kommen. Es wird aber noch eine Weile dauern. Spätestens in den 40er-Jahren des 21. Jahrhunderts, damit rechnen die Forscher, wird das Zeitalter des kommerziell eingesetzten E-Flugzeugs angebrochen sein. Ich glaube: Wie die neue Technik genau aussehen wird, das wird schlußendlich der Markt entscheiden. Aber sicher ist: Wir werden auch in Zukunft fliegen, nur sehr viel umweltfreundlicher als heute.

Vor dem Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe hatte ich im Rahmen meiner „Zukunftstour Brandenburg“ einen weiteren DLR-Standort in Cottbus besucht. Am Institut für CO2-arme Industrieprozesse wird erforscht, wie technische Abläufe in der Industrie optimiert werden können, damit weniger klimaschädliche Treibhausgase entstehen. Das klingt erst einmal sehr abstrakt, deshalb ist es mir immer wichtig, mit Wissenschaftler*innen ins Gespräch zu kommen und mir ihre Arbeit erklären zu lassen.

Dr. Stathopoulos erklärt mir die CoBra-Anlage

Ein wichtiger Teil der Forschungsarbeit des Instituts ist die Optimierung von Hochtemperaturwärmepumpen. Das Herzstück dieser Forschung ist die Pilotanlage Cottbus Brayton Facility (kurz: CoBra). Die Anlage ist ein unübersichtliches Konglomerat aus Rohren, Kessel, Schläuchen, Kabeln und Apparaturen, das von einer Plüsch-Cobra bewacht wird und eine mittelgroße Halle in einem Industriegebiet im Cottbuser Norden ausfüllt. Dr. Panagiotis Stathopoulos, der Abteilungsleiter Hochtemperaturwärmepumpen, erklärte sehr anschaulich, welche industriellen Prozesse dank der CoBra-Erkenntnisse demnächst klimafreundlicher werden könnten. Vor allem in der Lebensmittelproduktion könnten künftig Hochleistungswärmepumpen, die sowohl hohe Temperaturen als auch extreme Kälte erzeugen können, eingesetzt werden.  Dabei sind Temperaturen über 200 Grad Celsius und unter Minus 50 Grad Celsius absolut machbar. Ein Beispiel, das Stathopoulos anführte: Shrimps werden zuerst abgekocht und anschließend sofort schockgefrostet. Statt zwei Maschinen zu kaufen, könnte die Shrimps-Fabrik beide Arbeitsschritte mit einer Wärmepumpe durchführen und dabei Energie einsparen.

Bei meinem „Zukunftstour 2024“-Besuch des DLR-Standorts Cottbus ist mir wieder einmal deutlich geworden, wie wichtig stabile Rahmenbedingungen für die Entwicklung zukunftsfähiger Lösungen und damit für eine erfolgreiche Wirtschaft sind. Dass das Verbrenner-Aus wieder in Frage gestellt wird, ist ebenso Gift für den nachhaltigen Fortschritt wie die Diskussionen um die CO2-Zertifikate. Die Industrie braucht verlässliche Vorgaben und Planbarkeit, darum ist es umso wichtiger, dass die neue Grüne Fraktion in Brüssel durchsetzen konnte, dass der Green Deal auch im Zentrum der zweiten Amtszeit von Ursula von der Leyen stehen wird.

Website des DLR

Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe

Institut für CO2-arme Industrieprozesse