Beelitz bietet Nährboden für innovative Geschäftsmodelle und wilde Pflanzen

Lutz Pahl und Heiner Klemp bei der Mahd einer Wildpflanzenfläche am Social Impact Lab in Beelitz-Heilstätten.
Lutz Pahl und Heiner Klemp bei der Mahd einer Wildpflanzenfläche am Social Impact Lab in Beelitz-Heilstätten.

Die Mahd einer Wildblumenfläche am Social Impact Lab in Beelitz-Heilstätten bildete den Abschluss meines heutigen Sommertour-Tages – und gewissermaßen die Verbindung der beiden SDGs, denen ich mich dabei gewidmet habe: Nachhaltigkeitsziel 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) und Nachhaltigkeitsziel 15 (Leben an Land).

In Beelitz-Heilstätten hat mich Norbert Kunz empfangen, einer von drei Geschäftsführer*innen der Social Impact gGmbH, die deutschlandweit sozial innovative Geschäftsmodelle nach vorne bringt.  Wir haben über Sozialunternehmen gesprochen – ein sperriger und durchaus missverständlicher Begriff, denn Sozialunternehmen haben nichts mit Wohlfahrt zu tun und sind auch nicht zwingend gemeinnützig. Sie eint der „social impact“: Unternehmensziel ist, ein soziales Problem zu lösen.

Kunz berichtete etwa von Auticon, einem IT-Dienstleister, dessen Gründung Social Impact mit begleitet hat – und der mit den „einzigartigen Fähigkeiten“ seiner IT-Consultants wirbt. Bei denen handelt es sich um Menschen mit Asperger-Autismus, die ihre Stärken wie Mustererkennung und hohe Konzentrationsfähigkeit im Job einsetzen. Die Auticon GmbH hat mittlerweile deutschlandweit und in England und Frankreich Standorte und ist am Markt etabliert.

Norbert Kunz (rechts) erklärt, was es mit Sozialunternehmen auf sich hat.

Ein weiteres Merkmal von Sozialunternehmen: Sie arbeiten nicht profitorientiert, sondern reinvestieren erzielte Gewinne, um weiter an der Lösung des sozialen Problems zu arbeiten. Hier zeigt sich auch, dass es eine klare Abgrenzung zu „herkömmlichen“ Unternehmen eigentlich nicht gibt. Kunz selbst sagt, dass 98 Prozent der Unternehmen in Deutschland gar nicht auf Profit aus sind, sondern „nur“ das Unternehmenseinkommen erwirtschaften. So hat eine Handwerksmeisterin, die Geflüchtete beschäftigt, durchaus auch einen „social impact“, selbst wenn sie streng genommen keine Sozialunternehmerin ist.

Das wiederum passt zu einem großen Projekt, das Kunz und sein Team planen. Er nennt es „wahre Betriebswirtschaftslehre“. Die Idee: soziale und ökologische Kosten, die ein Unternehmen verursacht, in dessen Buchhaltung abbilden und damit eine Art „SDG-Bilanzierung“ zu betreiben. Wer zum Beispiel durch seine Produktion der Umwelt schadet, müsste diesen Schaden begleichen; wer nachhaltig wirtschaftet, wäre dagegen am Markt bessergestellt. „Das finde ich sexy“, sagt Norbert Kunz – und, dass eine Entwicklung hin zu solchen neuen Anreizmodellen längst in Gang ist.

Auch wenn sie dafür kein Unternehmen, sondern einen Verein gegründet haben, passt die Mission von Kerstin und Lutz Pahl ausgesprochen gut zum Social Impact Lab – und zwar nicht nur, weil sich unter anderem dort eine von vielen Flächen mit Wildblumen findet, um deren Aussaat und Pflege sich die beiden mit dem Blühstreifenverein Beelitz kümmern. Das Problem, das sie erkannt haben und lösen wollen: Insektensterben und der Verlust von Biodiversität. Ihre Lösung: Blühstreifen – und zwar im großen Stil!

Spargelanbau im großen Stil ist das, wofür Beelitz bekannt ist. Kerstin und Lutz Pahl haben es geschafft, Spargelbauern dafür zu gewinnen, einen Teil ihres Landes für mehrjährige Wild-Blühflächen zur Verfügung zu stellen – schon, als es noch keine Fördergelder dafür gab. Um die 80 Hektar blühende Felder sorgen für Artenvielfalt mitten in der intensiv bewirtschafteten Spargellandschaft und zeugen davon, dass sich die mitunter tiefen Gräben zwischen Naturschutz und Landwirtschaft überwinden lassen.

Was braucht es, damit die Blühstreifen nicht nur „Greenwashing“ sind, sondern wirklich einen Effekt im Sinne von SDG 15 – Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern – haben? Eine gezielte Förderpolitik, sagen Kerstin und Lutz Pahl. So sind etwa mehrere Jahre blühende Wildpflanzen deutlich besser für die Artenvielfalt als hübsche bunte Blumen, die aber nur ein Jahr in Blüte stehen. „Pro Wildpflanze kann man mit zehn Tierarten rechnen, die sich ansiedeln“, verdeutlicht Kerstin Pahl.

Und damit diese Pflanzen wirklich auch im nächsten Jahr blühen, brauchen sie die behutsame Mahd, an der ich mich heute beteiligt habe. Wichtig: Ein Rasenmäher ist hier fehl am Platz, da er alles schreddert. Deshalb haben wir zu Sense und Harke gegriffen. Ein toller Abschluss eines erkenntnisreichen Tags!

Berichterstattung in der Bürgerzeitung Zauche 365

Website des Vereins Blühstreifen Beelitz

Website vom Social Impact Lab Beelitz-Heilstätten