„Aus meiner Sicht ist das Dach der Generator fürs Haus“, sagt Constantin von Schierstaedt. Herkömmliche Solarmodule allerdings verschandeln aus seiner Sicht den Anblick eines Hauses. Schierstaedt produziert und vermarktet als Geschäftsführer des Unternehmens autarq in Prenzlau Solardachziegel.
Bezahlbare und saubere Energie lautet das Nachhaltigkeitsziel 7, das für mich heute bei zwei Unternehmensbesuchen im Mittelpunkt stand: bei autarq und beim Ökoenergie-Anbieter ENERTRAG. Was beide eint, ist die Erzeugung sauberer Energie.
„An der Bezahlbarkeit arbeiten wir noch“, sagt Schierstaedt mit einem Augenzwinkern. Noch kostet ein Solardachziegel mit 25 Euro das Zehnfache eines herkömmlichen Dachziegels. Das soll nicht so bleiben: Autarq will wachsen und von Skaleneffekten profitieren. Rechne man alle Faktoren ein, lohne es sich bei einer energetischen Dachsanierung aber auch jetzt schon, die in Prenzlau produzierten Dachziegel mit Solarmodulen zu verwenden. Ein Dach von 180 Quadratmetern neu zu decken und mit herkömmlichen Solarmodulen auszustatten, schlage mit etwa 60.000 Euro zu Buche, rechnet Schierstaedt vor. „Bei uns sind es 65.000 bis 68.000 Euro.“
Dafür falle der Ertrag an Energie bei den Ziegeln deutlich höher aus, da zum einen mehr Dachfläche ausgenutzt werden könne. Zum anderen seien Einbußen durch Verschattung viel geringer, da im Gegensatz zu herkömmlichen Solarmodulen auf Dächern jeweils nur zwei Dachziegel in Reihe geschaltet sind.
Zu den Kunden, die sich davon haben überzeugen lassen, gehört das Unternehmen Enertrag, dessen Hauptsitz sich nur wenige Kilometer von autarq entfernt befindet. Dort gibt es eine neu errichtete Mensa, deren komplett mit Solarziegeln gedecktes Dach autarqs bislang größter Auftrag war.
Außerdem durfte ich heute auch noch Enertrags Hybridkraftwerk in Prenzlau besuchen. Hier wird bereits seit 2011 aus Windkraftanlagen erzeugter Strom zur Produktion von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse verwendet. Der Wasserstoff wiederum wird in Lagertanks bei einem Druck von 40 bar gespeichert. Es besteht die Möglichkeit, in windschwachen Zeiten die gespeicherte Energie über zwei Blockheizkraftwerke wieder in Strom zu wandeln. Der grüne Wasserstoff kann in das Gasnetz eingespeist werden. Hierfür wurde eigens eine Einspeiseanlage errichtet. Nicht zuletzt verfügt die Anlage über eine Trailer- und eine Flaschenabfüllanlage. So kann der grüne Wasserstoff an Kunden in den Sektoren Industrie und Mobilität gelangen.
Eine Frage, die Herrmann und seine Kollegen aktuell umtreibt, ist die des Wasserstofftransports. Für November plant Enertrag die Eröffnung einer Tankstelle für den bei Prenzlau erzeugten grünen Wasserstoff. Tanken wird dort unter anderem der Nationalparkbus, mit dem ich in der vergangenen Woche im Odertal unterwegs war! Dieser Wasserstoff wird per Trailer vom Kraftwerk zur Tankstelle gebracht, so der bisherige Plan. Möglich erscheint aber auch die Nutzung des bereits bestehenden Netzes von Erdgasleitungen für den Transport: Die DBI-Gut GmbH testet zurzeit am Hybridkraftwerk verschiedene Filtermembranen, um ein Gasgemisch aus Erdgas und Wasserstoff zu trennen. Enertrag stellt hierfür den Wasserstoff zur Verfügung. Zukünftig können so höhere Beimischquoten von grünem Wasserstoff in das vorhandene Erdgasnetz erreicht werden. „Der nächste Schritt ist die Umwidmung der Erdgas- in Wasserstoffleitungen“, blickt Dr. Nadine Haase, Abteilungsleiterin Kommunikation und Marketing, in die Zukunft.
Ebenfalls ein Enertrag-Projekt: das für den Betrieb der Heidekrautbahn bei Wensickendorf geplante Wasserstoffkraftwerk, das Ende 2024 ans Netz gehen soll. Hier liegt noch einiges an Arbeit vor Enertrag, berichtete Max Schenkluhn, Projektleiter Sektorenkopplung. Überzeugungsarbeit vor Ort zum Beispiel, auch dazu, was die berechtigte Sorge um den Wasserbedarf des Kraftwerks angeht: Es wird etwa so viel Frischwasser benötigt wie 20 4-Personen-Haushalte pro Jahr verbrauchen. „Die Menge ist nicht das Problem, sondern der Druck“, sagt Schenkluhn – und das sei lösbar. Enertrag profitiere von den Erfahrungen mit dem Hybridkraftwerk bei Prenzlau, das gewissermaßen Modell für die Anlage in Wensickendorf steht. Der ursprüngliche Plan, dort ebenfalls drei eigene Windenergieanlagen zu errichten, lässt sich allerdings nicht realisieren, sondern der Strom wird von Windrädern aus Klosterfelde kommen. Deutlich wurde auch hier noch einmal, dass für die Produktion von grünem Wasserstoff zusätzlicher Ökostrom aus Wind- und PV-Anlagen in Brandenburg benötigt wird.
Auch wenn also einiges an Hürden zu bewältigen ist: Der vollständig emissionsfreie Betrieb der Heidekrautbahn mit grünem Wasserstoff ist kein Traum, sondern in greifbarer Nähe.
Pressemitteilung zum Forschungsprojekt zur Trennung von Erdgas und Wasserstoff