Landtagsabgeordnete regen Neuauflage des „Spyra-Gutachtens“ an

Spundwandkasten um einen Bombenfundort: Auch die Mitglieder des Innenausschusses werden bei ihrem Besuch in Oranienburg eine aktuelle Räumstelle besichtigen. Foto: (c) Stadt Oranienburg
Spundwandkasten um einen Bombenfundort: Auch die Mitglieder des Innenausschusses werden bei ihrem Besuch in Oranienburg eine aktuelle Räumstelle besichtigen. Foto: (c) Stadt Oranienburg

Ausschuss für Inneres und Kommunales informiert sich am 3. März 2023 in Oranienburg zur Kampfmittelbeseitigung

Oranienburg. Explosives Alleinstellungsmerkmal Oranienburgs ist auch 78 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg die enorme Belastung mit Kampfmitteln. Am 3. März 2023 tagt der Ausschuss für Inneres und Kommunales des Landtages in Oranienburg, um sich vor Ort zur Kampfmittelbeseitigung zu informieren. Daran anknüpfend ist ein Fachgespräch im Landtag im April geplant, in welchem die Belastung mit Kriegsaltlasten des gesamten Landes diskutiert werden soll. Auf Vorschlag der Koalitionsfraktionen wird unter anderem der Kampfmittelexperte Prof. Dr. Spyra – Verfasser des für die Bombenbeseitigung in Oranienburg wichtigen „Spyra-Gutachtens“ – sein Fachwissen einbringen.

Die Oranienburger Landtagsabgeordneten Björn Lüttmann (SPD) und Heiner Klemp (Bündnis 90/Die Grünen) nutzen den Ausschussbesuch, um erneut ein Schlaglicht auf die einzigartige Situation Oranienburgs zu werfen, die Notwendigkeit finanzieller Unterstützung durch Land und Bund zu bekräftigen und auch, um eine Neuauflage des „Spyra-Gutachtens“ anzuregen.

Björn Lüttmann (SPD) sagt dazu: „Eine Neuauflage des Spyra-Gutachtens kann sinnvoll sein, um eine wissenschaftliche Neubewertung der Gefahrenlage in Oranienburg zu ermöglichen. Zudem kann ein neues Gutachten eine gute Grundlage für Verhandlungen mit dem Bund über eine weitere Kostenbeteiligung bei der Bombenbeseitigung bedeuten. In keiner Region Deutschlands sind bebaute Wohngebiete derart stark mit Bombenblindgängern belastet wie in Oranienburg. Auf diesen Aspekt immer wieder mit aller Dringlichkeit hinzuweisen und auch Landtagsabgeordnete aus anderen Regionen dafür zu sensibilisieren, wird wichtiger, je länger das Kriegsende zurückliegt.

Im Gegensatz zu belasteten Waldflächen sind in Oranienburg täglich Menschenleben in Gefahr. Deshalb ist für mich klar, dass die Absuche von Wohngebieten weiter Priorität haben muss. Hinzu kommt, dass außerhalb Oranienburgs größtenteils fast unbekannt ist, welche Folgen die permanente Bombensuche auf die Stadtentwicklung, Wirtschaftsansiedlung oder Infrastruktur wie Straßen hat. Es ist deshalb richtig, dass seit der Wiedervereinigung jährlich rund die Hälfte der Landesmittel für die Kampfmittelbeseitigung nach Oranienburg fließt. Mit Einführung der „Modellregion Oranienburg bei der Kampfmittelbeseitigung“ wurden die Mittel 2019 auch nochmal deutlich erhöht, Zuständigkeiten neu zugeschnitten und Suchkapazitäten ausgebaut. Sollte sich zeigen, dass eine Neuauflage des Gutachtens für Oranienburg hilfreich sein könnte, so werde ich mich dafür einsetzen.“

Heiner Klemp (Bündnis 90/Die Grünen) ergänzt: „Als der Oranienburger Abgeordnete im Innenausschuss des Landtags vertrete ich dort die Interessen meiner Heimatstadt und sorge dafür, dass ihre einzigartige Kampfmittelbelastung nicht von der Agenda verschwindet. Dass wir am 3. März einen Vor-Ort-Termin haben, zeigt, dass unsere Stadt und ihre Bombenlast von der Landespolitik gesehen werden. Dem trägt auch das Fachgespräch im April mit Prof. Dr. Spyra Rechnung.

Das Spyra-Gutachten hat Oranienburg im Jahr 2008 sowohl erschüttert als auch entscheidend bei der Suche nach Weltkriegsbomben vorangebracht. 15 Jahre später ist es an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen und die Maßnahmen neu zu bewerten. Das Wort ,Kampfmittelfreiheit‘ muss seinen bürokratischen Schrecken für Privat- und Geschäftsleute verlieren. Das Ziel lautet Normalität, den Weg dorthin müssen wir jetzt beschreiben. Oranienburg soll zu einer normalen Stadt werden, in der Menschen normal leben, normal Häuser bauen und normal Geschäfte gründen können.“

Hintergrund:
Im Auftrag des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg erstellte Prof. Dr. Spyra von der BTU-Cottbus im Jahr 2008 das Gutachten „Mittel- und langfristige Konzeption der Kampfmittelräumung in Oranienburg – Begutachtung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter Berücksichtigung der Aspekte Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit“. Notwendig wurde das Gutachten, weil sich die bisherige Praxis der Auswertung historischer Luftbilder als nicht effektiv genug herausstellte. Rund ein Drittel der gefundenen Bombenblindgänger waren Zufallsfunde. Die Ergebnisse des Spyra-Gutachtens führten zur Neuausrichtung der Kampfmittelsuche in Oranienburg und bestätigte die Notwendigkeit einer systematischen Kampfmittelsuche, die bereits 2000 durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde. Seitdem sucht der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Brandenburg systematisch nach Kampfmitteln in Oranienburg.