Adscharien ist eine autonome Teilrepublik im Süden von Georgien, zu der Brandenburg seit nahezu zwei Jahrzehnten gute parlamentarische Kontakte pflegt. Im Rahmen einer Reise des Präsidiums des Landtags konnte ich das Land besuchen. Mein Eindruck: Unsere georgischen Gastgeber*innen empfingen uns nicht nur überaus herzlich, sondern vermittelten uns auch den Eindruck, dass sich das Land eindeutig nach Westen und Richtung Europa orientieren will.
Überwältigend war die Gastfreundschaft, die uns entgegen gebracht wurde. Jedes Mittag- und jedes Abendessen dauerte mindestens drei Stunden, die „Georgische Tafel“ bog sich unter den vielen Speisen, und die beiderseitigen Trinksprüche hatten durchaus politische Botschaften.
Geplant war die dreitägige Reise nach Adscharien mit seiner Hauptstadt Batumi eigentlich als trilaterales Treffen zwischen Brandenburg, Adscharien und dem polnischen Niederschlesien. Leider war die niederschlesische Delegation nicht angereist, weil sie sich nach den Kommunalwahlen in Polen erst neu sortieren muss. Auch ein Gedankenaustausch mit der georgischen Opposition fand nicht statt, der als Oppositionspolitiker angekündigte Irakli Chavleishvili zeigte sich auf Regierungslinie. Das fand ich besonders schade, denn schließlich war der Besuch als Austausch auf parlamentarischer Ebene geplant und das Thema der Reise „Open Governance“ – und zu einem funktionierenden Parlamentarismus und einer transparenten Regierungsarbeit gehört nun mal eine Opposition.
Trotzdem – oder ja vielleicht gerade deshalb – waren die Gespräche mit den Kolleg*innen aus dem Obersten Rat der Autonomen Republik sehr interessant. So erfuhren wir, dass das 21-köpfige Regionalparlament das deutsche Petitionsrecht übernommen und sogar weiter entwickelt hat. Die Bürger*innen können auf einer digitalen Plattform Anmerkungen und Anregungen zu Gesetzesvorhaben hinterlegen, die dann dem zuständigen Ausschuss vorgelegt werden. Generell können Bürger*innen Fragen einreichen, die an Abgeordnete übergeben werden, die diese dann offiziell an die Regionalregierung stellen. Und um den Abstand zur Bevölkerung zu verringern, hat der Oberste Rat ein Bürgerbüro eingerichtet, für das Bürger*innen digital Termine machen können, um sich mit einem der Abgeordneten zu treffen.
Ein großes Thema war natürlich das auch in Georgien extrem umstrittene Gesetz gegen „ausländische Einflussnahme“. Während in Tiflis weiter demonstriert wurde, versicherten uns unsere Gesprächspartner*innen, das Gesetz sei ganz anders gemeint, und diene mitnichten dazu Nichtregierungsorganisationen zu gängeln, sondern allein dazu Transparenz zu schaffen. Die Proteste im Land und die Kritik von außen sei nur „ein Missverständnis“. Überzeugend kamen mir diese Ausführungen nicht vor. Ich stehe weiterhin auf dem Standpunkt, den auch EU und Bundesregierung einnehmen: Das Gesetz entspricht nicht den Grundwerten der Europäischen Gemeinschaft.
Unsere Gastgeber*innen und Gesprächsparter*innen wurden aber nicht müde, uns zu versichern, dass Adscharien und Georgien sich schon traditionell nicht gen Norden und Russland, sondern Richtung Westen und Europa orientieren. Tatsächlich glaube ich, dass wir als überzeugte Europäer*innen uns in diesen Zeiten gerade um Länder wie Georgien bemühen müssen, um sie nicht an die russische Einflusssphäre zu verlieren. Der Weg in die Demokratie verläuft nicht immer geradlinig. Umso wichtiger ist es, dass die EU mit ihren Institutionen und Partnerregionen wie Brandenburg diesen Prozess begleiten.
Wie selbstverständlich ein offenes Europa für uns mittlerweile ist, wurde der Delegation auf der Rückreise vorgeführt. Wir fuhren mit dem Bus von Batumi ins türkische Rize, um von dort aus zurückzufliegen. Es war nicht viel los am Grenzübergang von Georgien in die Türkei, aber die Kontrollen dauerten dann doch 40 Minuten. Drei Mal wurden unsere Pässe kontrolliert, die Grenzbeamten ließen sich nur schwer überzeugen, das Gepäck der Parlamentarier*innen nicht zu durchsuchen – und am lautesten beschwerten sich die Vertreter jener populistischen Parteien, die am liebsten wieder Grenzkontrollen in ganz Europa einführen wollen.