Heiner Klemp zieht Bilanz nach dem heutigen Fachgespräch zu Kampfmittelsuche und -beseitigung im Innenausschuss des Landtags
Oranienburg. Brandenburgs Hochschule der Polizei (HPol) in Oranienburg könnte eine Professur für Kampfmittelbeseitigung bekommen. Das hat der emeritierte Professor Wolfgang Spyra heute im Innenausschuss des Brandenburger Landtags angeregt. Bei einem Fachgespräch zur Kampfmittelsuche und –beseitigung kam der renommierte Kampfmittel- und Sprengstoffexperte neben Experten aus Verwaltung und vom Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) ausführlich zu Wort. Eine weitere Erkenntnis: Das so genannte Spyra-Gutachten aus dem Jahr 2008 muss fortgeschrieben werden, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Erfahrungen aus der Tätigkeit vor Ort zu berücksichtigen und die Maßnahmen zur Beseitigung der Bombenlast darauf abstimmen zu können.
Dazu sagt der Oranienburger Landtagsabgeordnete und Ausschussmitglied Heiner Klemp (Bündnis 90/Die Grünen):
„Ich unterstütze die Anregung von Prof. Spyra, eine Professur für Kampfmittelbeseitigung an der Hochschule der Polizei einzurichten, ganz ausdrücklich. Wo, wenn nicht in Oranienburg? Eine solche Professur würde nicht nur die Lehre an unserer Hochschule erheblich aufwerten und ihre Reputation stärken, sondern könnte auch die Kampfmittelsuche in der Stadt entscheidend voranbringen! Prof. Spyra selbst hat im Ausschuss Beispiele für eine Modernisierung benannt. So sei vorstellbar, künstliche Intelligenz bei der Priorisierung der systematischen Suche nach Blindgängern einzusetzen.
Wir haben in Oranienburg in mehr als 20 Jahren systematischer Kampfmittelsuche Unmengen an Erfahrungen gesammelt, nicht zuletzt, was die enormen Auswirkungen der Bombenlast auf sämtliche Aspekte der Stadtentwicklung angeht. Davon kann ein entsprechender Lehrstuhl nur profitieren – und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse direkt vor Ort in die Praxis überführen.
Hinzu kommt: Nach 15 Jahren braucht das Spyra-Gutachten ein Update als Grundlage für die Bombensuche in Oranienburg. Dies ließe sich unmittelbar mit dem Lehrstuhl an der Polizeihochschule verknüpfen. So könnte der technische Fortschritt neben den Aspekten Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit in ein neues Gutachten einfließen. Es ist an der Landesregierung, die Professur für Kampfmittelbeseitigung in Oranienburg auf den Weg zu bringen und die Neuauflage des für die Stadt wegweisenden, aber in die Jahre gekommenen Gutachtens zu beauftragen. Hierfür werde ich mich einsetzen.
Die heute im Innenausschuss gesammelten Erkenntnisse sind zukunftsweisend für unsere Stadt: Wir haben die Chance, uns mit wissenschaftlicher Kompetenz in großen Schritten Richtung Normalität zu bewegen, ohne die Sicherheit der Menschen in Oranienburg zu gefährden. Denn diese steht natürlich weiterhin an erster Stelle!“
Hintergrund:
Prof. Wolfgang Spyra hatte von 1994 an den Lehrstuhl Altlasten an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus inne. Seit gut zehn Jahren ist er im Ruhestand, das Thema Kampfmittel wird seitdem in Brandenburg wissenschaftlich nicht mehr bearbeitet. Vergleichbare wissenschaftliche Einrichtungen gibt es im gesamten Bundesgebiet nicht. Heute besteht an der BTU der Masterstudiengang Forensic Sciences and Engineering, der sich u. a. mit Sprengstoff beschäftigt. Hier wäre eine Kooperation mit dem an der HPol in Oranienburg einzurichtenden Lehrstuhl für Kampfmittelbeseitigung denkbar, sagte Spyra im Innenausschuss.
„Mittel- und langfristige Konzeption der Kampfmittelräumung in Oranienburg – Begutachtung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter Berücksichtigung der Aspekte Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit“ lautet der Titel des Gutachtens, das Prof. Spyra an der BTU Cottbus im Jahr 2008 im Auftrag des Brandenburgischen Innenministeriums erstellt hat. Es ist die Basis für die systematische Suche nach Kampfmitteln in der Stadt.
Oranienburg ist die mit Abstand am stärksten von Weltkriegsbomben belastete Stadt im Land Brandenburg, das folgerichtig rund die Hälfte seiner finanziellen Mittel für die Kampfmittelbeseitigung hier einsetzt. Die Konzentration von mit chemischen Langzeitzündern ausgestatteten Blindgängern im Boden und die damit verbundene Gefährdung Oranienburgs ist laut KMBD einmalig in Deutschland.