Stettin ist eine der bedeutendsten Grenzstädte für Deutschland und Polen. Ihre Metropolregion hat das Potenzial, zu einer Vorzeigegegend für die deutsch-polnische Zusammenarbeit zu werden. Für uns in Brandenburg ist die Freundschaft zu Polen so wichtig, dass wir sie kürzlich sogar in die Brandenburger Verfassung aufgenommen haben. Als Europapolitischer Sprecher der Fraktion war es mir daher ein besonderes Anliegen, auch Stettin auf meiner Sommertour zu besuchen. Hier habe ich interessante Gespräche zu der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in den Bereichen Medizinstudium, nachhaltige Entwicklung, Ukraine-Hilfe, Jugendbeteiligung und Nachbarspracherwerb geführt.
Mein Besuch in Stettin startete mit einem Treffen mit Aron Weber, einem deutschen Studenten, der an der Pommerschen Universität Stettin seinen Abschluss in Medizin macht. Die englischsprachige Fakultät der Uni zieht viele ausländische Studierende an, von denen etwa die Hälfte deutsch ist. Das Medizinstudium an der Uni in Stettin ist bei deutschen Studierenden insbesondere aufgrund der intensiven Praxisorientierung beliebt, Aron jedenfalls war begeistert von der Qualität der Ausbildung hier. Mittlerweile sind zum Glück auch die Anerkennungsprobleme behoben, die die Studierenden noch vor Kurzem in Atem gehalten hatten. Sobald man nun eine Bestätigung der polnischen Ärztekammer in den Händen hält, dass man sich nicht in Polen auf die Approbation beworben hat, steht einer Anerkennung in Deutschland nichts mehr im Wege. Da wir gerade in Brandenburg gut ausgebildete Ärzt*innen brauchen, sind das erfreuliche Nachrichten.
Die nächste Station auf meiner Tour war ein Treffen mit Vertreter*innen der BSSSC (Baltic Sea States Subregional Co-operation), deren Vorsitz derzeit bei der Woiwodschaft Westpommern liegt. Joanna Iwancz, Exekutivsekretärin und Abteilungsleiterin für internationale und europäisch territoriale Zusammenarbeit, führte uns zunächst durch das neue, beeindruckende und quasi energieautarke Gebäude der Woiwodschaftsverwaltung, bei dem es sich um das modernste öffentliche Bauwerk von ganz Polen handelt. Bei dem anschließenden Gespräch waren neben Frau Iwancz auch Generalsekretär Wojciech Dorżynkiewicz, Exekutivsekretär Bartłomiej Toszek und Karolina Białczewska, die als Mitglied des Jugendrats ebenfalls im Vorstand sitzt, anwesend. Während des Vorsitzes Westpommerns waren die Hauptthemen der BSSSC die interregionale Kooperation in den Bereichen nachhaltige Entwicklung und Ukraine-Hilfe. Ich war erfreut zu hören, dass Brandenburg sich hier stark engagiert.
Sehr inspiriert war ich von dem Eifer, mit dem junge Menschen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. So setzt sich der Vorstand nicht nur aus jeweils zwei Vertreter*innen der Regionen der Mitgliedsstaaten zusammen, sondern auch aus zwei stimmberechtigten Vertreter*innen der BSSSC Jugend. Die Jugend-Konferenzen finden alle 3 Monate in den unterschiedlichen Mitgliedsregionen statt. Alle interessierten jungen Menschen können daran teilnehmen. Ich würde mich freuen, wenn wir auch in Brandenburg demnächst mal eine Jugendkonferenz ausrichten könnten.
Im Bereich der Jugendpartizipation kann der BSSSC auf die umfangreiche Erfahrung Polens zurückgreifen. In Polen hat jede Woiwodschaft ihre eigene Jugendvertretung. In Westpommern sitzt sie mit in den Ausschüssen und ist an der Überwachung der Vergabe von EU-Fördermitteln beteiligt. Brandenburg sollte sich hier ein Vorbild nehmen, denn bisher existiert eine eigene Jugendvertretung nur auf kommunaler Ebene.
Das Ende meiner Sommertour markierte ein Treffen mit Lidia Rogaś, der Vizebürgermeisterin der Stadt Szczecin. Sie ist zuständig für soziale Fragen, Sport, Kultur und Bildung. In unserem Gespräch stimmten wir darin überein, dass in vielen Bereichen die Kooperation von Brandenburg und Polen, insbesondere im Grenzbereich, schon gut funktioniert, und wie wichtig dafür die offenen Grenzen sind. Wir waren uns einig, dass diese Erfolge keinesfalls durch eine teilweise in Brandenburg diskutierte Wiedereinführung von Grenzkontrollen gefährdet werden dürfen.
Als zertifizierter Lehrerin liegt Vizebürgermeisterin Rogaś der Bereich Bildung besonders am Herzen. Sehr engagiert ist sie in Projekten des Nachbarspracherwerbs. Sie hat diesbezüglich auch finanziert durch das INTERREG-Programm sehr erfolgreich mit dem Schloss Trebnitz in Brandenburg kooperiert, um den Erwerb der deutschen Sprache im polnischen Schulsystem zu verankern und zugleich in Deutschland den Erwerb der polnischen Sprache zu fördern. Sie berichtete, dass die Projekte in Polen recht gut gelaufen wären und gut angenommen würden, da der Mehrwert für die Polen klar erkennbar wäre. Sie hätte aber Verständnis dafür, dass dies andersrum schwieriger sei.
Um die Nachbarschaftsbeziehungen weiter zu vertiefen, linguistische Barrieren abzubauen, den Austausch von Arbeitskräften weiter zu fördern und somit die Metropolregion Szczecin weiter zu stärken und die grenzübergreifende Zusammenarbeit in allen Bereichen zu begünstigen, wäre es dennoch wünschenswert, wenn sich auch die Deutschen mehr für die polnische Sprache begeistern ließen. Auch wenn bei internationalen Kontakten die „Weltsprache Englisch“ immer wichtiger wird, sollte der Spracherwerb in den Nachbarsprachen insbesondere in Grenzregionen weiter gefördert werden.
Ich jedenfalls freue mich, dass ich trotz der aktuellen anti-deutschen Propaganda der PiS-Regierung auf meiner Sommertour überall herzlich willkommen geheißen wurde und bin dankbar, dass meine Gesprächspartner*innen sich nicht beirren lassen, sondern sich weiterhin für eine vertiefte deutsch-polnische Zusammenarbeit einsetzen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg und freue mich auf zukünftige Begegnungen.